h26206470000
VõrumaaVastseliina
Stein, Victor
1872

Metadata

COL: Victor Stein
ID: H II 62, 647/9
LOC: Vastseliina khk.
ZANR: kiri
TMP: 1872

Vorwort.

Die Anzahl der schon gesammelten u. eröffentlichten estnischen Volkslieder ist eine so große, daß man glauben möchte, der Liederschatz müsse erschöpft sein. Es ist jedoch denen, die mit dem Volke innigere Berührung treten, nicht unbekraut, daß noch viele Lieder der Aufzeichnung harren. Kenner und förscher wissen daß namentlich bei den Pleskauschen Esten (Settud) noch manche Liederperle existirt. -
Durch Verhältnisse in die Nähe dieser Pleskau-Esten geführt, benutzte ich die Gelegenheit u. habe die nachfolgenden Lieder gesammelt. Hierüber möge mir erlaubt sein Einiges zu bemerken. Nur ein geringer Grad von Mißtrauen begegnete mir bei meinen Wanderungen, dasgleichen stieß ich selten auf Furcht. Im Ganzen kam man mir freundlich und offenherzig entgegen, ja an manchen Orten fand geradezu ein Wetteifer statt, indem jeder der Bevorzugte zu sein wünschte als Sangesperson Liedermittheilungen zu machen.
An allen Orten habe ich die Erfahrung gemacht, daß die Frauen in ihrem Gedächtniß eine großere Menge Lieder aufbewahren als das stärkere Geschlecht und auf einen Umkreis von etwa 5 Werst im Durchmesser fand ich gewöhnlich eine Hauptsängerin, die in diesem Umkreise ronomirt war, ja oft selbst weit über ihren Kreis hinaus. - In den gewöhnlichen Wochentagen, insbesondere an Fasttagen1
Die Settud sind Griechisch-orthodoxer Confession.
, war meine Ausbeute eine spärliche, dagegen an Sonn- u. Festtagen eine reichliche. An letzteren Tagen lebt das Settu-Völkchen stets in dulci jubilo und der Fremde wird dann stets gern empfangen und seiner Bitte Gehör geschenkt. -
Ich habe die Lieder, viele als Varianten zu schon verzeichneten, im Petscherschen Kreise das Gouvernoment Pleskau gesammelt. Da aber das Settu-Völkchen bis Isborsk seine Dörfer hat, so ersieht der Leser, daß noch eine weite Gegend von mir unbesucht geblieben ist u wo noch viel aufgenommen werden könnte. Wenn mir die Zeit und Gelegenheit geboten sein wird, jedenke ich auch diese Gegend zu durchwandern, wenn nicht, so möchte ich bemerken, daß Andere2
Die hierfür Interesse haben, reichlich belohnt sein werden, so sie solches ausführten.
,
Zum Schluß. Obgleich die Mundart der Settud nur wenig vom Werro-estnischen Dialekt abweicht, bietet sie, zum die pontische Rede-Form, Nichtkennern nicht geringe Schwierigkeiten des Verständnisses. Ich habe mich in dieser ungünstigen Lage befunden und kann nicht um sie somit einzugestehen, daß die von mir hier aufgezeichneten Lieder eine nicht geringe Zahl Sprachfehler enthalten. Ich habe mich jedoch bemüht gewissenhaft Alles so niederzuschreiben, wie ich gehört. Wie in Hinsicht der Sprachfehler, ebenso bitte ich nicht minder unbillige Rücksichten in Anbetracht der Orthographie.
Schloß Neuhausen im Sommer 1872

*1 kustunud
1 Die Settud sind Griechisch-orthodoxer Confession.
2 Die hierfür Interesse haben, reichlich belohnt sein werden, so sie solches ausführten.